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Lieber Moritz Müller! Mit weit mehr als 600 DEL Spielen bist Du mittlerweile ein ganz erfahrener Akteur. Für mich steht Dein Name in einigen... „Die Drittelpause“: Lieber Mo Müller …

Lieber Moritz Müller!

Moritz Müller - © by EH-Mag. (DR)

Moritz Müller – © by EH-Mag. (DR)

Mit weit mehr als 600 DEL Spielen bist Du mittlerweile ein ganz erfahrener Akteur. Für mich steht Dein Name in einigen Jahren in einer Reihe neben Haie-Größen wie Kießling, Langemann, Philipp, Mayr, Lüdemann oder Kühn ganz oben. Beim Deutschland Cup hast Du für mich verdientermaßen das „C“ im letzten Spiel auf der Brust Deines Deutschlandtrikots getragen. Ich schätze Dich, weil Du auch einer der wenigen bist, die sich auch dann wenn es mal nicht läuft, vor unsere Mikros stellt und die Dinge beim Namen benennt. Umso entsetzter war ich, als ich am Sonntagabend Deine Worte in der zweiten Drittelpause via Servus TV hörte.

Ich erlaube mir kurz zu zitieren:

„Es heißt immer, das deutsche Eishockey muss besser werden, aber wir spielen hier gegen eine abgetakelte kanadische Nationalmannschaft – da soll die Liga mal den Arsch in der Hose haben, zu fragen, wie das hier mit den Pässen funktioniert in Iserlohn.“

 

Dazu möchte ich Dir folgende Anmerkungen schreiben.

– Das deutsche Eishockey muss immer besser werden. Das ist schon so lange der Fall, seit ich Eishockey verfolge (über 4 Jahrzehnte). Die Nationalmannschaft „lebt“ seit Jahren auch von Spielern, die nicht in Deutschland geboren wurden. Ich nenne hier einfach mal Namen wie Karl Friesen, Harold Kreis, Ben Doucet, Brad Bergen oder Deinen ehemaligen Teamkollegen John „Hans“ Tripp. Ja selbst Deutschlands Eishockeyspieler des Jahrhunderts, Erich Kühnhackl, wurde nicht in Deutschland geboren. Er kam erst mit 18 Jahren aus der damaligen CSSR nach Landshut.

– In Iserlohn spielt keine „abgetakelte“ kanadische Nationalmannschaft. Die Nordamerikaner mit deutschem Pass haben im Mutterland des Eishockeys sicherlich diesen Sport erlernt und stehen in der Regel noch am Anfang ihrer Karriere. Viele von ihnen haben aber rein deutsche Elternteile, also zum Beispiel eine in Deutschland geborene Mutter. Sie sind also „deutscher“, als mit Verlaub so manch andere Bundesbürger. Ich selbst finde es übrigens bedauerlich, dass nicht alle von ihnen Willens sind auch die deutsche Sprache zu erlernen. Mit einigen von ihnen wie Brent Raedeke (jetzt Mannheim) oder Brooks Macek (bester deutscher Stürmer beim Deutschland Cup) hast Du ja schon in der Nationalmannschaft zusammen gespielt. Weitere werden folgen und gestandenen Nationalspielern den Platz streitig machen, wetten dass?

 

– Du kannst den „Iserlohner Weg“ gut oder schlecht finden. Ich bejubel ihn auch nicht bedingungslos. Er ist auf jeden Fall legal und auch die Pässe, da bin ich mir sicher, sind korrekt ausgestellt worden. Wenn Du da andere Anhaltspunkte oder gar Beweise hast, dann solltest Du Dich vertrauensvoll an die Polizei und nicht an Servus TV wenden.

 

Iserlohns Maskottchen "frotzelt" via Facebook so.

Iserlohns Maskottchen „frotzelt“ via Facebook so.

Ein wenig kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass Du Dich neben allem Frust (völlig verständlich) etwas hast anstacheln lassen. Die durch einige sogenannte TV-Experten und ein Print-Fachmagazin angeheizte Kritik ist im Moment sogar noch massiver als in den 90ér Jahren, als die Ratinger Löwen sich etliche Spieler aus Kasachstan und Russland mit deutschen Pässen holten. Und sind wir doch mal ehrlich, geändert hat sich in dieser Beziehung im deutschen Eishockey nichts. Früher waren es Duisburg, Mannheim oder Düsseldorf, später die „bösen“ Ratinger und heute eben Iserlohn oder Bremerhaven. Es ist doch – und da gebe ich Dir Recht – peinlich, dass sich so eine Kölner Startruppe von ehemaligen nordamerikanischen Juniorenspielern so abziehen und obendrein vermöbeln lässt. Am Rande sei erwähnt, dass viele Mitglieder des Iserlohner Teams weniger als die Hälfte eines gestandenen Ur-Deutschen Nationalspielers verdienen. Die Ligakonkurrenten werben derzeit heftig, um eben genau diese Spieler in ihr Team zu locken. Muss man diese „Abwerber“ dann nicht auf eine Stufe mit Iserlohn stellen? Wäre die DNL ein riesiger Pool von zukünftigen hochtalentierten DEL Spielern, dann müsste doch niemand diesen Weg der preiswerten Deutsch-Kanadier gehen. Davon ist die DNL aber sehr weit entfernt. Nichtsdestotrotz unternimmt man auch in Iserlohn größte Anstrengungen, um mittelfristig wieder mehr echte Eigengewächse für den DEL Kader zu produzieren. Ich begrüße das ausdrücklich!

 

Es entsteht der Eindruck, dass der augenblickliche Iserlohner Erfolg in den Augen einiger „Eishockey-Entscheidungsträger“ einfach nicht sein darf und deshalb massiv kritisiert wird. Jetzt wurde sogar eine Selbstbeschränkung der Liga in die Diskussion eingebracht. Auch das ist rein rechtlich kaum umsetzbar und purer Wunschgedanke. Diese Milchmädchenrechnung, dass Iserlohns Höhenflug nur an den Deutsch-Kanadiern liegt, ist übrigens zu einfach. Hier spielen auch gute Ausländer, gute Ur-Deutsche, es arbeitet ein gutes Trainergespann (beide übrigens auch nicht in good old Germany geboren und mit deutschen Pässen) und obendrein spürt der DEL-Manager des Jahres all diese Spieler auf. Spätestens wenn die Teuberts, Buttons, Maceks, Wrucks und Pickards bei „großen“ Klubs spielen und Iserlohn wieder in der Region um Platz elf herumkrebst wird das Thema abrupt verstummen. Bis irgendwann wieder ein kleines gallisches Dorf mit Deutsch-Kanadiern, Deutsch-Russen, Deutsch-Chinesen o.ä. Erfolg hat. Dann hagelt es wieder Kritik. Am Nachwuchssystem im deutschen Eishockey wird sich bis dahin leider vermutlich wenig verbessert haben.

 

Bei Dir, lieber Moritz Müller, habe ich die Hoffnung, dass Du nachdem die Wunden der Boxeinlage abgeklungen sind und Du 2 – 3 Nächte drüber geschlafen hast, die Einsicht einkehrt, dass Du bei allem verständlichen Frust mit Deinen Aussagen doch etwas über das Ziel hinausgeschossen bist.

 

Herzlichst

Michael Krähling

 

 

Über „Die Drittelpause“: In der sogenannten Kolumne „Die Drittelpause“ greifen verschiedene Autoren aktuelle Themen auf und beziehen hier klar persönlich Stellung. Hierbei wird Nebensächliches zur Hauptsache gemacht und umgekehrt. Es wird gerne überspitzt, frech und vielleicht auch manchmal einfach nur anders argumentiert und kommentiert. Mal laut, mal leise, mal mit einem Augenzwinkern und mal mit dem Dampfhammer oder in Satireform. „Die Drittelpause“ ist nicht neutral und ausgeglichen, sie ist die oft persönliche Meinung des Autors / der Autorin und soll Anlass zur Diskussion bieten.

 

 

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